Meike Leopold ruft in ihrem Artikel Haltung in der Kommunikation: Fake oder echter Trend? zur Blogparade #Kommunikationmithaltung auf.
Die Veröffentlichung der Studie Communications Report 2018 verdeutlicht die Relevanz dieses Themas: Sie besagt, dass das Thema Ethik in der PR nach Ansicht der 46% der Befragten in den nächsten fünf Jahren an Bedeutung zunehmen wird.
Meike beschäftigt sich in ihrer Blogparade mit der Kernfrage, ob sich Unternehmen und deren MitarbeiterInnen heute überhaupt noch aus wichtigen politisch-gesellschaftlichen Diskursen heraushalten können?
Meine Antworten auf diese Frage: NEIN, können sie nicht!
Ein kleines Beispiel: Heute ging ich in er Mittagspause zum nächsten Supermarkt, um mein Mittagessen einzukaufen. Auf dem Weg dorthin kam ich an einer Schule vorbei, die ein Schild für alle sichtbar an der Hauswand hat, die besagt: „Schule gegen Rassismus!“
Diese Plakette ist eine klare Aussage der Haltung, die sowohl Eltern als auch Schülern und Lehrpersonal zeigt, wie die Einstellung dieser Schule ist und wie sie agieren. Sie zeigt, welche Themen ihnen wichtig sind und worauf sie achten.
Sie zeigt auch, dass es kaum möglich ist, die eigene Meinung zu verstecken. Organisationen, Personen und Unternehmen, die nicht „für“ oder „gegen“ etwas sind, oder ihre Einstellung nicht öffentlich kommunizieren und dementsprechend agieren, sind gesichtslos. Sie sind nicht greifbar und zeigen keine Nähe.
Unternehmen benötigen Haltung
Dies bedeutet ein klares JA zum Thema Haltung! Der Stellenwert, den Unternehmen in unserer Gesellschaft einnehmen, weiten sich immer mehr aus. Viele Firmen sind Vorreiter und treibende Kraft von gesellschaftlichen Entwicklungen. Man denke nur an die Veränderung digitaler Arbeitsprozessen, die mit einem Change in der Arbeits-und Lebenswelt vieler Menschen einhergeht.
Gerade in unserer unruhigen Zeit, in der weltweit rechtspopulistische Gruppierungen, Parteien und Menschen demokratische Grundwerte mehr und mehr einschränken, müssen gesellschaftliche relevante „Organisationen“ wie Firmen, auf jeden Fall Position beziehen. Sie müssen kommunizieren und auch dementsprechend handeln, wie ihre Vision einer bessern und funktionierenden Gesellschaft aussieht.
Es reicht nicht nur pro Forma eine Position zu beziehen und beispielsweise gegen Umweltverschmutzung zu sein, wenn trotzdem eigene Produktionsorte große Energieverschwender sind und keine erneuerbare Energie einsetzen.
Haltung ist ein vieldeutiger und mehrschichtiger Begriff. Laut Wikipedia ist Haltung folgendermaßen zu verstehen:
- die Gesinnung, also auf ein Ziel gerichtete Grundhaltung eines Menschen;
- als Einstellung, die persönliche Meinung zu einer Angelegenheit;
- Haltung bewahren bzw. Contenance, die Gelassenheit in schwierigen Situationen;
- Körperhaltung, die Stellung des menschlichen Körpers.“
Erinnern wir uns auch daran, dass Menschen, ob als Angestellte, Gründer oder Teilhaber, einen großen Teil Ihrer Lebensalltags in Unternehmen verbringen.
Kein Wunder, dass Menschen heutzutage nicht nur von ihren Mitmenschen sondern gerade auch von Unternehmen, deren Sprechern und CEOs erwarten, dass diese zeigen, wer sie sind und wofür sie stehen. Sie suchen gerade in Zeiten gesellschaftlicher Unsicherheit und politischer Zerrissenheit nach Orientierung.
Egal, welche Grundpositionierung, welche moralischen oder ethischen Werte einzelne Menschen auch einnehmen, haben sie eine Gemeinsamkeit: Sie alle erwarten von Unternehmensvertretern eine Vorbildfunktion in Sachen Authentizität, also Echtheit.
Denn ECHT ist das neue SCHÖN.
Auf die innere Werte kommt es an, die praktiziert und vorgelebt werden sollten. Und das geht eigentlich nur mit einer Haltung, einer Meinung. Authentizität ist das, was mich als Person oder auch Unternehmen ausmacht, wie ich empfinde, denke, die Welt betrachte, all das hat Einfluss darauf, wer ich bin und wie ich handle.
Bedürfnis nach Vorbildern
In der Gesellschaft gibt es ein starkes Bedürfnis danach, Haltung zu zeigen. Das spiegelt sich auch in den Erwartungen der Menschen wieder. Sie möchten mit dem Kauf eines Produkts oder einer Serviceleistung nicht nur das optimalste Produkt, sondern auch diejenigen unterstützen, die der gleichen Gesinnung und Meinung sind.
Das ist wichtig, denn Großunternehmen sind mitentscheidend für einen Wandel innerhalb vorhandener Strukturen. Denken wir an Microsoft, die mit #OutOfOffice den Wandel der Arbeitskultur mit definieren. Sie schaffen Möglichkeiten, die Arbeit an unterschiedlichen Orten und zu diversen Tageszeiten zu erledigen.
Als Akteure innerhalb der Gesellschaft werden Firmen von Kunden und der Öffentlichkeit gefragt, welche (moralischen) Werte sie verfolgen. Beispiele gibt es viele: So macht etwa Nike sich in mehreren arabischen Staaten für Geschlechtergerechtigkeit stark.
Sind Werte, Moral und Haltung die neue Religion?
Die von Firmen aufgestellten Wert sollen von den Mitarbeitern, teilweise auch von Lieferanten und Partnern mitgetragen werden. Da sich Einstellungen und Haltungen aber nicht befehlen lassen, versuchen Unternehmen diese Mithilfe hat die von Kulturprogrammen in die Organisationen einzuführen. Die Rede ist von einem Zeitalter der neuen Unternehmenskultur.
Unternehmerische Wertevorstellung, oft auch als Unternehmensbibel betitelt, ersetzen die gesellschaftliche Funktion von Religionen. Global agierende Großunternehmen, oft auch als Innovationstempel bezeichnet, bespielen Themen wie Moral, Ethik, Vision neu. Selbst religiöse Begriffe wie „Evangelist“, „Gebote“ oder Bibel werden beispielsweise in dem Titel „Chief Innovation Evangelists“ gerade von international agierenden Großunternehmen übernommen. Es werden Regelwerke der Zusammenarbeit verfasst, durch die Mitarbeiter dazu verpflichtet werden, sich „aufrichtig zueinander“ zu verhalten, „unkompliziert und verlässlich miteinander umzugehen“, sich „auf Augenhöhe“ zu begegnen und sich „freundschaftlich verbunden“ zu fühlen. Doch Regeln reichen nicht aus. Das Vorleben sowie die Unterstützung, das Stakeholder aktiv etwas machen und die Gesellschaft ein Stück mit verändern können, ist gefragt. So sollte ein Regelwerk gemeinsam erstellt und nicht erlassen werden.
Nebenbei: Haltung macht sich bezahlt
Übrigens zahlt sich dies auch für viele Unternehmen aus. Immer mehr Konsumenten lieben Unternehmen und deren Produkte, weil diese ihren Werten entsprechen. Ob Umweltschutz, Einfuhrzölle, Gleichberichtigung oder Mindestlohn – Konzernchefs trauen sich häufiger, ihre Meinung zu gesellschaftsrelevanten und politischen Themen zu äußern.
Denken Sie an die Botschaft „Menschen kaufen nicht was man macht; sie kaufen warum man etwas macht.“ – Simon Sinek, Autor, Speaker und Unternehmensberater.
Keine Frage, immer mehr Unternehmen und Marken zeigen öffentlich Haltung bei gesellschaftlich relevanten Fragen. Der Reputation schadet das Zeigen der Haltung keineswegs. Sinek stellte fest, dass Firmen wie Apple und Co, die sich mit dem Fragen nach dem „Warum“ beschäftigen, authentischer sind und anders kommunizieren und damit auch noch Gewinne einfahren.
Dies zeigt auch die Geburtstags-Kampagne von Nike „Believe in something. Even if it means sacrificing everything“ – übersetzt bedeutet es soviel wie „Glaub an etwas. Selbst wenn es bedeutet, alles zu opfern.“ In Zusammenhang mit dem bekannten Claim „JUST DO IT“ inszenierte Nike seine Haltung. Und der mutige Auftritt hat sich ausgezahlt: laut Ad Age wuchsen die Onlineverkäufe von Nike innerhalb von zwei Tagen um 31 Prozent.
Haltung hat mit Werten zu tun
Es ist wichtig und notwendig, dass nicht nur Unternehmen, sondern jede Organisation, jede Person, die in der Öffentlichkeit steht – aber auch jeder Mensch wie du und ich – Position beziehen und diese kommunizieren. Dies ist notwendig, den es bedeuten auch, über Beweggründe sprechen, warum eine Stellung eingenommen wird, denn Haltungen treffen Aussagen über unsere Werte, über das, was uns wichtig ist.
Laut Simon Sinek enthält die Antwort auf die „Warum”-Frage die Vision und Leidenschaft eines Unternehmens. Es enthält das Versprechen, das Firmen allen Stakeholdern geben. Die Beschreibung, warum ein Unternehmen etwas macht, die Hintergründe und Gründungsidee einer Firma, führt zum Kern, zur Identität der Marke.
Mit einer überzeugenden Antwort auf die Frage nach dem „Warum” heben sich Unternehmen von den Mitbewerbern ab. Laut Sineks Recherche sind Unternehmen wie Apple oder Nike, die das „Warum” kommunizieren auch erfolgreicher.
„Für etwas zu sein, ist nett. Gegen etwas zu sein, ist stark.“ – schrieb Jan Pechmann, Chef der Marketing-Agentur diffferent, in einem Artikel für das Blog Business Punk.
Pechmann fordert dazu auf, dass Marken Haltung statt Beliebigkeit zeigen müssen, um in der wachsenden Anzahl an Kanäle, Medien, Formate und Plattformen herauszustechen und wahrgenommen zu werden. Hierbei hilft eine andere Tiefe der Botschaften. Einfach nur schicke Kommunikationskampagnen hervorzubringen reicht nicht mehr. Position zu beziehen ist übrigens nicht nur mit netten Dafür-Äußerungen, sondern auch mit harten „Ich bin dagegen”-Aktionen verbunden.
Eines der wichtigsten Ziele der Unternehmenskommunikation ist, die Einzigartigkeit mittels der Unternehmenswerte (core values) zu transportieren. Denn die Werte im Sinne von kulturellen Leitlinien sind fundamental, um einerseits eine emotionale Bundung zu Unternehmen und Marken zuzulassen und andereseits sich als Firma von seinen Mitbewerbern abzusetzen.
Nach Immanuel Kant sind Werte „spezifische Beschaffenheiten, die zur Hochschätzung würdig machen; spezifische positive Qualitäten, die Norm- und Soll-Charakter haben“. Vereinfacht formuliert, sind Werte von einem Unternehmen bewusst gewählte Eigenschaften, die dem Unternehmen wichtig, wertvoll und erstrebenswert sind und den Stakeholdern (Mitarbeitern, Partner, Lieferanten) als Maßstab für ihr Handeln dienen.
Werte beziehungsweise die Unternehmensphilosophie lassen sich von der Marke nicht trennen. Häufig werden als Werte allgemeine – also austauschbare beziehungseise häufig genannte – Attribute wie Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Zuverlässlichkeit, Respekt oder Fairness genannt. Diese Leitwerte sollten nicht nur irgendwo in der Unternehmensbroschüre oder auf der Webseite abgebildet werden, sie müssen von den Mitarbeitern verstanden, dem Unternehmen kommuniziert und auch (vor)gelebt werden.
Storytelling hilft, die Werte eines Unternehmens so zu präsentieren, dass den „Soll-Werten“ Leben einhaucht wird, sie zu vorzeigbaren Ist-Werten macht. Als sichtbare Wirklichkeit können Werte eher nachvollzogen und im Gedächtniss der Mitarbeiter, Partner, Lieferanten oder Kunden haften bleiben. Erzählen Sie Geschichten, die zeigen, woher die Werte Ihres Unternehmens kommen. Verleihen Sie den Werte Ihre persönliche Note, damit sie nicht austauschbar, sonder individuell und einzigartig wirken.
Vermitteln Sie die Werte Ihres Unternehmens in Geschichten, die das Publikum berühren und aus Außenstehenden Teilnehmende machen.
Firmen, die für eine gesellschaftlich bedeutende Sache einstehen und nach außen hin Haltung zeigen, müssen sich damit in der öffentlichen Debattenlandschaft positionieren. Nach Pechmann müssen sie dafür Mental Leader werden. Sie sollen Deutungshoheit über die Vision des Unternehmens erstreben, für die sich das Unternehmen entschieden hat zu stehen.
Zum guten Ruf gehört Haltung
Der Konsument sucht Orientierung und Authentizität für sein selbstbestimmtes (Konsum-)Leben – vermehrt auch bei Marken. Denn die bisherigen Autoritäten haben weitestgehend abgedankt.
Firmen müssen sich dreidimensionaler zeigen, denn Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten und Partner – also Menschen – sind zugleich egoistische Wesen, die das beste Produkt möglichst preisgünstig und schnell haben wollen, und gleichzeitig soziale Wesen, die behütet, beschützt, geliebt und umsorgt werden wollen und sich durch einen Status innerhalb der Gesellschaft definieren. Man ist beispielsweise MACianer.
Ein wichtiger Aspekt von Haltung bei Marken ist nun, dass sie Stellung beziehen und Präsenz zeigen, wenn es wichtig wird.
Fazit: Marken müssen sich gemäß ihres Markenkerns, ihrer Markenwerte und Markenpersönlichkeit engagieren und auch außerhalb der Produktebene eine führende Position – Leadership – einnehmen.
Unter dem Motto „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“ rufe ich nun zur #MutZurHaltung auf – wer macht mit?